Medical Affairs
Montag, 15. Juli 2024Interview zur Field Funktion bei Roche Pharma Schweiz AG
Dr. Kathrin Stirnemann ist Head of Medical Customer Engagement bei Roche Pharma Schweiz AG. Sie spricht im Interview über Werte, Erfahrungen und Key Learnings im Bereich Medical Affairs.
Was ist deine konkrete Aufgabe bei Roche Pharma Schweiz?
"Als Head of Medical Customer Engagement bin ich für die funktionale Exzellenz der medizinischen Außendienst-Rolle (Medical Science Partner, MSP) sowie das People Management dieses Teams verantwortlich.
Ich habe also dann einen guten Job gemacht, wenn die MSPs mit dem nötigen Wissen und den richtigen Fähigkeiten ausgestattet sind, um einen Mehrwert für Ärzte, Patienten und Firma zu schaffen: Sie sollen Ärzte gemäss deren Interessen und Fragen professionell und kompetent zu unseren Molekülen und Studien informieren können, so dass diese befähigt sind die richtigen Therapieentscheide für ihre Patientinnen und Patienten zu treffen. Zudem erhalten die MSPs aus ihren Gesprächen wichtige Insights, welche uns, Roche, helfen, unsere Tätigkeiten und unsere mittel- bis lang-fristige Strategie optimal auf die Bedürfnisse von Ärzten, Kliniken und Patienten auszurichten.
Neben der individuellen Unterstützung meiner Teammitglieder ist es auch wichtig, die gesamte MSP Organisation kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dies umfasst den Austausch mit anderen Funktionen, die eng mit den MSPs zusammenarbeiten, die Einordnung der MSP Rolle in der Gesamtorganisation, wie auch die Fähigkeit auf veränderte Anforderungen reagieren zu können,
Zusätzlich zu meiner Kernaufgabe im MSP Team bin ich in die übergeordnete Zusammenarbeit und Weiterentwicklung aller Aussendienstfunktionen bei Roche Pharma Schweiz involviert und koordiniere beispielsweise unser Gesprächstrainingsprogramm sowie die Implementierung globaler Initiativen in unserer Filiale."
Umschreibe bitte die Historie der Field Medical Affairs Funktion bei Roche?
"Bis 2010 hatten wir bei Roche Pharma Schweiz keine medizinischen, sondern nur kommerzielle Feldfunktionen. Ende 2010 starteten wir einen ersten Versuch mit einem Medical Science Liaison (MSL) für die Indikation Ovarialkarzinom. 2012 durfte ich dann als erste MSL pan-Tumor für ein Produkt in mehreren Indikationen ins Feld. Diese ersten Erfahrungen haben gezeigt, dass es sinnvoller ist, wenn der MSL nicht produkt- sondern indikationsspezifisch arbeitet - also ein spezifisches Therapiegebiet exzellent kennt und somit mit den Ärzten auf Augenhöhe und die Themen mit ihnen praxisnah diskutieren kann.
Im Jahr 2014 wurde eine eigene MSL-Organisation bei Roche mit MSLs pro Therapiegebiet und einem dediziertem MSL-Head ins Leben gerufen.
Die Anfänge der Field Medical Rolle waren sehr herausfordernd. Ärztinnen und Ärzte mussten den Mehrwert einer weiteren Aussendienstfunktion erst einmal verstehen lernen, und auch intern mussten wir uns mit den etablierten kommerziellen Feldfunktionen neu koordinieren. Und durch den Tätigkeitsbereich der neuen medical Feldrolle kamen in Bezug auf die Compliance auch viele neue Fragen auf, die geklärt werden mussten. Diese Entwicklungen dauerten ihre Zeit, aber es war eine spannende und äusserst lehrreiche Phase, die ich aktiv mitgestalten durfte und noch heute von den damaligen Erfahrungen profitiere.
Seither hat sich die MSL Rolle etabliert und ist heute ein essentieller Bestandteil der meisten Pharmaunternehmen. Es gibt bei den Ärzten und Kliniken ein grosses Bedürfnis nach wissenschaftlichen Ansprechpartnern, die sich in Indikation, Molekül, Daten, laufenden oder zukünftigen Studien und regulatorischen Gegebenheiten gut auskennen. Die frühzeitige Information über Studienergebnisse, der Überblick über unsere Forschungspipeline sowie das Zusammenarbeiten bei wissenschaftlichen Projekten, wie zum Beispiel klinische Studien, sind ein weiterer Mehrwert für die Ärzte. Ich beobachte, dass der Bedarf und somit die Wichtigkeit der Field Medical Rolle in den letzten Jahren stetig gewachsen sind.
Aus meiner persönlichen Sicht ist die Medical Field Rolle heute unverzichtbar - der Mehrwert für Ärztinnen und Ärzte und das Unternehmen sind enorm.
Deshalb haben wir bei Roche Pharma Schweiz die MSL-Rolle noch weiterentwickelt: Die Medical Science Partners (MSP) sind seither nicht nur für die Zusammenarbeit mit den wichtigsten Ärzten zuständig, sondern verantworten auch die medizinische Strategie in ihrer Indikation."
Was sind Herausforderungen, die sich dir und deinem Team derzeit stellen?
"Das mag generisch klingen, ist aber wahr: Workload und Priorisierung.
Die Medical Field Rolle erfordert sowohl externen Fokus als auch interne strategische Mitgestaltung, was eine erhebliche Herausforderung darstellt. Als Head MSP besteht meine aktuelle Herausforderung darin, Zeit für Training und Weiterentwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freizuschaufeln, beziehungsweise innerhalb der Organisation einzufordern und eine Balance zu finden, Verantwortung ins Team abzugeben (shared accountability) ohne zusätzliche Belastung für den einzelnen Mitarbeiter zu generieren."
Was ist für dich der Wert der Field Medical Affairs Funktion, wo trägt sie massgeblich zum Erfolg der Firma bei?
"Die Evolution der MSL-Funktion, wie in Frage 2 bereits beschrieben, verdeutlicht schon einiges.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Field Medical Funktion, eine Win-Win-Win Situationen für Ärzteschaft, Patientinnen und Patienten und die Firma schafft:
- Ärzteschaft: Durch das wissenschaftliche Know-How und die Erlaubnis, Daten und Wirkmechanismen sowohl in der Tiefe, als auch vor Zulassung (auf Anfrage) zu besprechen, erhalten die Ärztinnen und Ärzte die für sie relevanten Informationen, um fundierte Therapieentscheidungen treffen zu können. Sie bekommen zeitnah Daten aus erster Hand und wissen, an wen sie sich bei Fragen zu Kongressdaten, Molekülen, Studienteilnahme oder Pipeline-Präsentation wenden können.
- Patientinnen und Patienten: Obwohl Field Medicals keinen direkten Kontakt zu Patientinnen und Patienten haben, verbessern sie durch ihre Arbeit die Behandlungsmöglichkeiten und deren Zugänglichkeit. Denn: Gut informierte Ärztinnen und Ärzten können bessere Therapieentscheidungen für ihre Patienten treffen und durch die Platzierung klinischer Studien an schweizer Spitälern erhalten Patientinnen und Patienten frühzeitig Zugang zu neuen Therapieoptionen. Überdies fließen Bedürfnisse aus der klinischen Praxis über die MSLs in die medizinische Strategie und Taktiken ein, was den Patienten kurz- und langfristig zugutekommt.
- Unternehmen: Die Field Medical Rolle trägt erheblich zum Unternehmenserfolg bei, sowohl auf Produkt- und Indikationsebene als auch im Aufbau nachhaltiger Partnerschaften zwischen Ärztinnen und Ärzten und der Firma. Ein exzellenter MSL stärkt zudem die Reputation des Unternehmens."
Was sind deine persönlichen Key Learnings im Bereich Medical Affairs aus den vergangenen Jahren?
- Medical Affairs ist keine Dienstleistungsabteilung (mehr). Medical Affairs war zwar immer wichtig für die Pharmaunternehmen, stand aber früher eher im Schatten der kommerziellen Abteilung t. Heute sind die Medical Affairs Mitarbeiter weit mehr als die Compliance Apostel im Team. Wir haben heute viel mehr Mitspracherecht und Gewicht in Bezug auf Strategie und Taktiken und sind auch bei den ÄrztInnen und Ärzten, bei Studiengruppen und bei den Spitälern viel präsenter und als direkter Ansprechpartner etabliert als früher.
- Ohne Field Medicals geht's nicht. Die Field Medical Funktion ist essenziell für den Erfolg einer Pharma-Affiliate und wird in Zukunft noch wichtiger werden.
- Functional Excellence ist entscheidend. Unzureichende Kernkompetenzen führen zu Ineffizienz, Missverständnissen und schlechter Reputation. Um professionelle Partner für die Ärzteschaft zu sein und gute Mitarbeitende langfristig erfolgreich und motiviert zu halten, müssen wir in fundierte Ausbildung und kontinuierliche Weiterentwicklung investieren. Deshalb freut es mich übrigens umso mehr, dass die SHQA nun einen speziellen Medical Affairs Zertifikatslehrgang anbietet.
Welche Fähigkeiten sollte ein idealer Medical Affairs Professional jetzt und in 5 Jahren haben?
- Exzellentes Produkt- und Indikationswissen, inklusive Kenntnisse zur Daten-Generierung (klinische Studien, RWE).
- Business Acumen: Verständnis, Einordnen und aktives Mitgestalten der Strategie und Taktiken, System Thinking, Aufbau strategischer Partnerschaften intern und extern, Account Planung.
- Fundierte Kenntnisse zum Schweizer Gesundheitssystem und Pharmamarkt sowie den Regulatorischen Gegebenheiten und (Zulassungs-)Prozessen.
- Interpersonelle Skills: Fähigkeit zur Arbeit in cross-funktionalen Teams, Matrix-Leadership, Vorleben und Fördern einer guten Feedbackkultur, gutes Projektmanagement und Priorisierungsfähigkeiten.
- Umgang und Zusammenarbeit mit Kunden. Kundenzentriertheit, Stakeholder Mapping, Kommunikations-Fähigkeiten, Fertigkeit über verschiedene Kanäle mit Kunden zu interagieren (Omnichannel Engagement)
- Erlernen und Einsatz neuer Technologien und Tools (z.B. ChatGPT, Mittel zur digitalen Interaktion etc).
- Übergreifend: Fähigkeit und Wille, Verantwortung zu übernehmen und kontinuierlich zu lernen, guter Umgang mit Veränderungen und: Resilienz.